Man muss sich selbst zügeln und besänftigen
Schon allein den Titel des Lotus-Sutra (Saddharma Puṇḍarīka Sūtra) lesen zu dürfen, ist ein unermesslicher Verdienst. Denn der Inhalt dieses Sutras ist von höchster Erhabenheit und unaussprechlicher Tiefe. In der chinesisch-buddhistischen Tradition nennt man es ehrfürchtig das „Lotus-Sutra der Buddhaschaft“.
Unter den Śrāvakas war der ehrwürdige Śāriputra der Weiseste. Er selbst bat den Buddha, dieses Sutra zu lehren. Doch der Buddha wies ihn mehrmals zurück:Genug, genug, sprich nicht weiter! Meine Lehre ist wunderbar und schwer zu begreifen. Wer von Stolz erfüllt ist, wird sie hören und dennoch keinen Glauben entwickeln.“
In welchem anderen Sutra spricht der Buddha auf solche Weise? Selbst als der ehrwürdige Śāriputra persönlich um Belehrung bat, sagte der Buddha: „Halt, halt, sag nichts!“ – und das mehrmals. Erst beim dritten Mal sprach der Buddha: „Da du mich so aufrichtig und wiederholt bittest – wie könnte ich dann schweigen?“
Doch kaum wollte der Buddha zu lehren beginnen, erhoben sich fünftausend Menschen, verneigten sich und verließen die Versammlung. Fünftausend! – eine gewaltige Zahl. Und sie waren allesamt Schüler des Buddha. Wenn karmische Verblendungen in einem Menschen aufsteigen, kann ihre Macht ungeheuer sein.
Immer dann, wenn sich großes Verdienst zu zeigen beginnt, erhebt sich ebenso großes Karma. Darum erinnere ich euch: Wann immer in einem Kloster ein großes Verdienst entsteht oder ein wichtiges Ereignis bevorsteht – haltet euch fest! Lasst euer inneres Karma nicht aufwallen. Schaut in den inneren Spiegel und besiegt euch selbst.
Als der Buddha das Lotus-Sutra lehrte, war er bereits alt – es war kurz vor seinem Eintritt ins Nirvāṇa. Darum nennt man diese Zeit „Die Zeit des Lotus und des Nirvāṇa“. In der chinesisch-buddhistischen Überlieferung heißt es, der Buddha habe im Alter von dreißig Jahren zu lehren begonnen, in anderen Traditionen heißt es mit fünfunddreißig – in jedem Fall hatte er über vierzig Jahre ununterbrochen gewirkt.
In jenen Tagen waren fast alle sechzehn großen Königreiche Indiens, mit ihren Königen an der Spitze, Schüler des Buddha. Wohin er auch ging, dort fand Unterweisung und Wandlung statt, und die Wesen ehrten ihn tief. In diesem großen historischen Moment wollte der Buddha die höchste Lehre verkünden – und selbst nachdem er zuvor gewaltige übernatürliche Kräfte gezeigt hatte, erhoben sich jene fünftausend und gingen.
Alles, was der Buddha in der Versammlung des Lotus-Sutra zeigte, spiegelt uns Menschen selbst wider – vollkommen wahrhaftig. Je größer das Verdienst einer Dharma-Versammlung, desto stärker das aufwallende Karma der Wesen.
Die guten Götter von Himmel und Erde beschützen stets
In dieser Welt der gewöhnlichen Wesen, wenn ein Mensch innerlich schön und rein ist, strahlt er ein besonderes Licht aus – ein Licht, das aus der Menschlichkeit selbst hervorbricht. Solch ein Mensch wird von den guten Göttern beschützt, und alles Glückhafte wird ihm zuteil.
Man sieht auch heute in der Gesellschaft: Wer wahrhaft erfolgreich ist, lässt in den kleinsten Gesten die Güte seines Menschseins leuchten. Ein solcher Mensch, der in seiner Schlichtheit menschliche Güte ausstrahlt, wird von den himmlischen Drachen und Schutzgöttern behütet. Darum fehlt keinem wahrhaft erfolgreichen Menschen jene einfachste und zugleich höchste Tugend: Güte.
Vor einiger Zeit haben wir über die Erweckung des Bodhicitta gesprochen – den Entschluss, das Erwachen zum Wohle aller Wesen zu suchen. Wenn jemand diesen Geist wahrhaft zu erwecken vermag – welch gewaltiger Segen ist das! Aber selbst wer nur die fünf Gelübde des Laien annimmt, wird bereits von je fünf Schutzgöttern für jedes Gelübde behütet.
Buddhas und Bodhisattvas lehren uns nicht nur mit Worten, sondern mit ihrer ganzen Kraft, ihrem vollendeten Verdienst und ihrer vollkommenen Weisheit – begleitet von unzähligen Schutzgöttern, die ihnen Gelübde abgelegt haben.
Diese himmlischen und irdischen guten Götter haben vor dem Buddha gelobt:„Wenn jemand Zuflucht zu den Drei Juwelen nimmt, werden wir uns unsichtbar an seine Seite stellen, ihn Tag und Nacht behüten und ihm beständiges Glück bringen. Wenn jemand Ihre Gebote hält, so werden für jedes einzelne Gelübde fünf Schutzgötter über ihn wachen.“
In dieser vergänglichen und wandelbaren Welt – dass wir Tag und Nacht in Frieden und Glück leben dürfen, das ist der Segen, den Buddha und die Bodhisattvas uns schenken.
— Meister Sanchan